Protzpalast sucht Eigentümer: Realityserien über Luxusvillen boomen

Protzpalast sucht Eigentümer: Realityserien über Luxusvillen boomen

Immobilien und Intrigen – Pazifik-Blick statt Schufa-Auskunft: Realityserien über millionenschwere Villen und attraktive Maklerinnen faszinieren auf Netflix und Co. die Zuschauer. Was es mit dem Wirbel um TV-Luxus-Makler auf sich hat.

Blick in Glamour-Villen

Protzpalast sucht Eigentümer: Realityserien über Luxusimmobilien boomen

Ein Schlösschen in Paris im Marie-Antoinette-Stil? Kein Problem, sofern man das nötige Kleingeld von 38 Millionen Euro hat. Sogar stolze 250 Millionen Dollar kostet das 1.600 Quadratmeter große Penthouse am Central Park in New York – dafür gehören zwei Ballsäle und elf Badezimmer zum Gesamtpaket. Und bei der Nobel-Villa in Dubai ist der 550.000 Euro-Sportwagen, der in der riesigen Garage des Anwesens steht, im Kaufpreis von 25 Millionen Euro inbegriffen.

Streaming-Trend wirft Fragen auf

Bei Netflix und Co. boomen derzeit Realityserien, in denen Luxusmakler absurd teure Immobilien an reiche Menschen verkaufen – ein Streamingtrend, der vor allem eine Frage aufwirft: Warum schwelgen so viele Zuschauer lustvoll in Hochglanzbildern von unerreichbar teuren Palästen, während bezahlbarer Wohnraum vielerorts Mangelware ist?

Befreiung von trister Wirklichkeit

Natürlich ist bei dem Trend eine Portion Eskapismus im Spiel: Die Serien befreien ihr Publikum kurzfristig aus der tristen Immobilien-Wirklichkeit – Weinkeller und Pazifik-Blick statt Schufa-Auskunft und Massenbesichtigungen. Der neiderregende Schlüssellochblick in die märchenhaften Anwesen von Megareichen ist aber nur die halbe Miete. Serien wie „Selling Sunset“ (Netflix) oder „Dream Deals“ (Prime Video) sind Seifenopern über den angeblichen Arbeitsalltag von überaus attraktiven Maklerinnen (meistens sind es Frauen), die in absurd unangemessenen Designer-Outfits zu ihrem Terminen stöckeln und so munter intrigieren wie einst Joan Collins als Biest im „Denver-Clan“.

Valeria Löwen und Sarah Wessendorf bei „Dream Deals“.

© Prime

Valeria Löwen und Sarah Wessendorf bei „Dream Deals“.

Ein Zebra als Gimmick

Die Zähne sind gebleicht, die Haare gestylt und an den Schultern baumeln teure Handtaschen, wenn Chrishell, Davina oder Amanza Strandhäuser mit rotierenden Betten und Villen mit eigenem Golfplatz anpreisen, hohe Provisionen einstreichen und dabei tratschen, zanken und feiern. Ein Zebra als Gimmick bei einer Verlobungsparty, ein Maklerevent, bei dem man sich Botox spritzen lassen kann, und endlose Streitereien über die Frage, wer mit wem geschlafen hat. Da fragt man sich unwillkürlich: Ist das Realität, Reality-TV oder einfach nur Fake? Sind diese glamourösen Lästerzungen auf Stöckelschuhen wirklich echte Maklerinnen oder doch vielleicht Schauspieler?

Gezeigte Maklerinnen sind lizenziert

Jason Oppenheim von der Oppenheim-Group weist derlei Unterstellungen natürlich entrüstet zurück: Alle gezeigten Maklerinnen seien erfahren, erfolgreich und lizenziert, sagt der 47-jährige Immobilienexperte. Die Immobilien-Agentur der Brüder Oppenheim mit Hauptsitz in Los Angeles steht seit 2019 im Zentrum von „Selling Sunset“, der Mutter der modernen Makler-Soaps. Es folgten etliche Spin-offs wie „Buying Beverly Hills“ oder zuletzt „Owning Manhattan“ über das New Yorker Maklerbüro von Ryan Serhant.

Glamouröse Makler sind bereits selbst Stars

In 40 Ländern schaffte es die erste Staffel von „Owning Manhattan“ in die Netflix-Top-Ten, Immobilien-Guru Serhant trägt Uhren für 150.000 Dollar am Handgelenk und lebt wie viele andere Protagonisten der Formate nach dem Motto „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“. Viele der glamourösen Makler und Maklerinnen sind inzwischen Stars. Die selbsternannte „Boss Bitch“ Christine Quinn aus „Selling Sunset“ etwa hat rund fünf Millionen Follower in den Sozialen Medien und schaffte es auch auf das Titelbild der US-Vogue.

Ryan Serhant verkauft Luxusimmobilien in New York.

© Netflix

Ryan Serhant verkauft Luxusimmobilien in New York.

Deutsche Auswanderer makeln auf Mallorca

Inzwischen sind die Maklerserien keine reine Netflix-Domäne mehr: Bei Prime Video versuchen in „Dream Deals“ neuerdings vier deutsche Auswanderer, als Immobilienmakler in Dubai durchzustarten, und bei RTL+ kann man dem deutschen Unternehmer Marcel Remus in „Der Mallorca-Makler“ dabei zuschauen, wie er auf der Ferieninsel opulente Immobilien anpreist. Die Dokusoap „Mieten, kaufen, wohnen“ übrigens, die bis 2016 bei Vox lief, hatte nur entfernte Ähnlichkeit mit den aktuellen internationalen Hit-Serien – zu alltagsnah, zu wenig glamourös.

Der Mallorca-Makler: Bei RTL+ kann man dem deutschen Unternehmer Marcel Remus in „Der Mallorca-Makler“ dabei zuschauen, wie er auf der Ferieninsel opulente Immobilien anpreist.

© RTL/pick

Der Mallorca-Makler: Bei RTL+ kann man dem deutschen Unternehmer Marcel Remus in „Der Mallorca-Makler“ dabei zuschauen, wie er auf der Ferieninsel opulente Immobilien anpreist.

Anbetung von Kapital und obszöne Verschwendung

Wo Erfolg ist, bleibt die Kritik nicht aus. Die Maklersoaps, so ein Vorwurf, transportieren mit ihren langbeinigen Luxus-Barbies nicht nur ein fragwürdiges Schönheitsideal, sondern zelebrieren auch die Anbetung von Kapital und geradezu obszöner Verschwendung. Und das in einer Zeit, in der bezahlbarer Wohnraum rar ist und etwa in den USA Millionen Geringverdiener und sozial Benachteiligte in schäbigen Mobile Homes leben. Die Käufer aus den Realitysoaps, die in der Regel anonym bleiben, haben andere Probleme – zum Beispiel, dass das Elf-Millionen-Euro-Penthouse in Paris zwar einen tollen Blick auf den Eiffelturm hat, aber leider keinen Swimmingpool. Man kann eben doch nicht alles haben. (yvo)

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Erstellt:
15.10.2024, 17:35 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec

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