Kegelrobbe Mucki

Süß, aber wehrhaft: Kegelrobbe Mucki hat in der Seehundstation viele Hochs und Tiefs durchgestanden.

Foto: Seehundstation

Freizeit
Cuxland

Seehundstation Norddeich

Mucki: Kleine Kämpferin aus Wremen

18. August 2022 // 18:55

Es ist ein ganz normaler Wintertag in unserer Region, grau und mit ’n büsch’n Wind – der 22. Januar dieses Jahres –, als das Telefon in der Seehundstation Norddeich klingelt: Ein Notfall! Bei Wremen wurde eine verletzte Kegelrobbe entdeckt. Nun ist schnelles Handeln wichtig.

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Wackelige Prognose

Zu diesem Zeitpunkt ist Mucki – so wurde das Wremer Kegelrobbenweibchen getauft – gerade mal zwei Monate alt. 24 Kilogramm hat sie bei ihrer Ankunft in Norddeich gewogen, „ein gutes Gewicht für das Alter“, sagt Tim Fetting, Leitung der Tierpflege in der Seehundstation Norddeich. Wenn da nicht diese große Wunde im Nacken gewesen wäre, teils eitrig und mit abgestorbenem Gewebe. „Das sah nicht gut aus“, erinnert sich der Tierpfleger. „Die Prognose, ob Mucki es schafft und ihre Wunde gut verheilt, war schon etwas wackelig, aber mit einer positiven Tendenz.“ Woher ihre Verletzung stammt, lässt sich nur mutmaßen. In der Regel gibt es bei so einer Art Wunde aber meistens nur zwei Varianten, so der Fachmann: Durch Artgenossen oder frei laufende Hunde.

Eine echte Kämpferin

Anfangs lief es für Mucki auch in Norddeich nicht so gut. Die junge Kegelrobbe bekam Fieber sowie Magen- und Darmprobleme. „Es waren Hochs und Tiefs – mal sah es besser aus, mal schlechter“, erzählt Tim Fetting. „Aber Mucki ist eine echte Kämpferin, sie hat nie aufgegeben und musste viel mitmachen. Mucki war ganz kegelrobbentypisch sehr wehrhaft.“

Neben der Verabreichung von Antibiotika gegen Entzündungen und Bakterien, musste Muckis Wunde mit einer Heilsalbe behandelt werden – nicht die leichteste Aufgabe bei so einem kräftigen Wildtier. „Kegelrobben sind prinzipiell sehr…“ – dann macht Tim Fetting eine Pause, um das passende Wort zu finden – „selbstbewusst“, sagt der Tierpfleger dann lachend und ergänzt in amüsiertem Tonfall: „Ich glaube, die wissen, dass sie die größten Raubtiere in Deutschland sind.“

Kegelrobbe Mucki mit Wunde

Mucki wurde mit einer großen Wunde gefunden.

Foto: Seehundstation

Zurück in die Freiheit

Doch vielleicht war es neben der fachlichen Betreuung gerade diese tierische Willenskraft, die Muckis Genesung immer weiter voran – sowie ihr Gewicht heraufgetrieben hat. Fast auf den Tag genau, am 23. Juni, darf sie wieder in die Freiheit.

Mit einer gut abgeheilten Wunde und 60 Kilogramm auf den Rippen ist der Moment im Naturschutzgebiet Leyhörn gekommen. Als die Luke der Transportbox mit Blick auf die Nordsee aufgeht, zögert Mucki kurz, robbt vorsichtig heraus, schaut sich um. Dann geht es schnell weiter zur Wasserkante, die Nordsee spüren. Mucki dreht sich ein letztes Mal mit ihren großen dunklen Kulleraugen zu den Mitarbeitenden der Seehundstation um, dann verschwindet sie im Wasser, der langersehnten Freiheit entgegen. War das ein letzter dankbarer Gruß? „Nein“, sagt Tim Fetting lachend. „Ich denke, die Robben wollen nur sichergehen, dass wir Pfeifenköppe ihnen nicht wieder zu nahe kommen.“ Der Tierpfleger nimmt es mit professionellem Humor: „Die Tiere wollen einfach satt werden, wenn sie bei uns sind, und wir wissen, dass die eigentlich gar nichts mit uns zu tun haben wollen.“ Am besten sei es doch, wenn die Robben einfach ihr Leben in Freiheit genießen können.

Kegelrobben

Foto: Seehundstation

Zurück in die Freiheit: Das ist immer das Ziel bei den etwa 150 Seehunden und 10 bis 30 Kegelrobben, die jährlich in der Seehundstation Norddeich gepflegt werden. Darunter sind einige kranke oder verletzte Tiere wie Mucki oder sie haben sich in einem Netz eingeschnürt, doch die meisten Fundtiere sind Heuler – also Jungtiere, die noch gesäugt werden müssten, aber von ihrer Mutter getrennt sind. „Und die sind leider oftmals menschengemacht“, sagt Tim Fetting nun ernst.

Abstand halten

„Das Allerwichtigste ist immer, großen Abstand zu halten“, betont der Robben-Experte. Denn die Tiere fühlen sich schnell gestört, was dazu führen kann, dass Mutter- und Jungtier getrennt werden und die Mutter gegebenenfalls auch nicht zu ihrem Jungen zurückkehrt – ein sicheres Todesurteil.

Viele Menschen kommen den Tieren an den Fundorten zu nahe, wollen ein Foto knipsen – das kann fatale Folgen haben. Deswegen leistet die Seehundstation auch viel Aufklärungsarbeit. „Es ist toll, wenn die Menschen sich für die Tiere und Natur begeistern, aber viele handeln – sicherlich oftmals auch unwissend – leider falsch“, bedauert der Experte. Wer Seehunde und Kegelrobben erleben möchte, sollte fachkundige Angebote nutzen und nicht einfach allein losziehen. Denn Tim Fetting gibt zu bedenken: „Wir befinden uns hier im Wattenmeer in dem Wohn- und Schlafzimmer der Tiere, so sollten wir uns auch verhalten.“