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Mit ein paar Klicks können Sie herausfinden, ob das Grundwasser in Ihrer Region steigt oder sinkt. Und wir erklären, was das zu bedeuten hat.
Trocknet das Cuxland aus?
Trocknet der Norden aus? Eine interaktive Karte des Recherchenetzwerks Correctiv zeigt, wo das Grundwasser in Deutschland sinkt. Wir haben die Karte mit Blick auf die Region zwischen Jadebusen, Weser und Elbe ausgewertet. Der Trend ist eindeutig.
Deutschland trocknet langsam aus - und Norddeutschland ganz besonders. Diese Erkenntnis wird nun auf einer Karte des Recherchezentrums Correctiv sichtbar: In vielen Regionen ist das Grundwasser in den vergangenen 32 Jahren gesunken. Correctiv hat 6700 Grundwassermessstellen in 13 Bundesländern ausgewertet und in einer interaktiven Karte zusammengefasst.
Informationen über die Messstände in Bremen und Bremerhaven fehlen auf der Karte, weil das Bundesland keine ausreichenden Daten geliefert hat. Aber für die umliegenden Kreise Cuxhaven, Rotenburg (Wümme), Stade und Wesermarsch ergibt sich beim Blick auf die Übersichtskarte ein deutliches Bild.
Inhalt:
- DIE KARTE
- DER TREND: Sinkende Grundwasserstände in ganz Niedersachsen
- DIE DETAILS: Einblicke in die verschiedenen Messstellen
- Landkreis Cuxhaven
- Landkreis Rotenburg (Wümme)
- Landkreis Stade
- Landkreis Wesermarsch
- DIE HINTERGRÜNDE: Warum das Grundwasser sinkt
- DIE AUSNAHMEN: Warum das Grundwasser an einigen Messstellen steigt
Karte: Mapbox/Correctiv
DER TREND: Sinkende Grundwasserstände in ganz Niedersachsen
Niedersachsen zählt zu den traurigen Spitzenreitern: Bei jeder dritten Messstelle sinkt das Grundwasser. Mit diesem Trend ist das Bundesland allerdings nicht alleine: In 150 Landkreisen in ganz Deutschland gibt es extrem sinkende Grundwasserstände. In knapp der Hälfte der Messstellen wurde zwischen 2018 und 2021 der bisherige Tiefststand erreicht. Neben Niedersachsen zählen auch Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bayern zu den Bundesländern mit den am deutlichsten sinkenden Wasserständen. Und Grundwasserstände brauchen lange, um sich zu erholen.
Diese Entwicklung wird weitreichende Folgen haben, prognostiziert ein Sprecher der Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne): „Wir müssen uns sicher auch in Deutschland von der Gewissheit verabschieden, dass Wasser immer und überall in scheinbar unbegrenzter Menge zur Verfügung steht.“

© Frank Rumpenhorst/dpa
Durch die heißen Sommer steigt auch der private Wasserverbrauch. Aber deutlich problematischer ist der Wasserverbrauch der Industrie.
DIE DETAILS: Einblicke in die verschiedenen Messstellen zwischen Jadebusen, Weser und Elbe
Die Grundwasserkarte von Correctiv ermöglicht einen detaillierten Blick in die eigene Region. Darüber hinaus bietet sie die Möglichkeit, sich die verschiedenen Messstellen einmal ganz genau anzusehen. Wo befinden sich eigentlich diese wichtigen Grundwassermessstellen und wie hat sich der Wasserstand dort verändert? Wer auf der Satelliten-Karte ganz nahe an die roten Markierungen heranzoomt, kann sehen, ob die Messstellen in einem Industriegebiet, in einer Ortschaft oder mitten in der Natur liegt.
Auffällig ist, dass die Messstellen direkt an der Küste tendenzielle steigende oder gleichbleibende Wasserstände anzeigen - zum Beispiel mehrere Stellen in der Wesermarsch und in Cuxhaven. Im Landesinneren - beispielsweise in der Wingst (Kreis Cuxhaven), bei Schwinge (Kreis Stade) und in Hepstedt (Kreis Rotenburg) - scheinen die Wasserstände eher zu sinken. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft fasst diese Tendenz für ganz Niedersachsen wie folgt zusammen: Trockener Osten und fast normaler Westen.
Landkreis Cuxhaven:
Der Kreis Cuxhaven liegt unter dem Niedersachsentrend: Bei knapp jeder dritten Messstelle (30 Prozent) sinkt der Grundwasserstand. Insgesamt gibt es 139 Messstellen - bei 36 davon sinkt der Grundwasserstand seit 1990 leicht und bei 6 sinkt der Grundwasserstand stark. Demgegenüber stehen lediglich 8 Messstellen, an denen das Grundwasser leicht steigt und sechs Messstellen, an denen es stark steigt. Bei den übrigen Messstellen zeichnet sich keine deutliche Tendenz ab.
Landkreis Rotenburg (Wümme):
Der Kreis Rotenburg (Wümme) ist sogar trockener als der niedersächsische Durchschnitt. Hier sinkt das Grundwasser bei etwas mehr als jeder dritten Messstelle (38 Prozent). Bei 29 der 114 Messstellen sinkt das Grundwasser leicht - bei 14 Messstellen sinkt es sogar stark. Und im gesamten Kreis Rotenburg (Wümme) gibt es nur eine einzige Messstelle mit leicht steigendem Grundwasser. Die befindet sich in Stüh.
Landkreis Stade:
Auch der Kreis Stade liegt über dem Niedersachsen-Durchschnitt: Bei 35 Prozent der Messstellen sinkt das Grundwasser. Insgesamt gibt es 51 Messstellen - bei 18 davon sinkt das Grundwasser und nur bei einer steigt es stark.
Landkreis Wesermarsch:
An der Wesermarsch scheint der Trocken-Trend hingegen vorbeigegangen zu sein. Während auf der anderen Weserseite die Grundwasserstände sinken, gibt es in der Wesermarsch sogar einen leichten Anstieg. Von 19 Grundwassermessstellen sinken nur drei leicht und eine stark. Bei neun Messstellen ist der Wasserstand gleichbleibend und bei sechs Messstellen steigt er.
Aber warum steigt das Grundwasser dort, während es an vielen anderen Messstellen in Niedersachsen sinkt? Eine Erklärung finden Sie unten ...
DIE HINTERGRÜNDE: Warum das Grundwasser sinkt
Es gibt viele Gründe, warum das Grundwasser an vielen Messstellen sinkt. Aber Hauptverursacher des Rückgangs ist der Mensch. Vor allem die Hitzesommer der vergangenen Jahre - ausgelöst durch den menschengemachten Klimawandel - beeinflussen die Grundwasserstände maßgeblich.

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Die Sommer werden immer heißer. 2022 war der wärmste je in Europa gemessene Sommer
„Die Entwicklungen, die sich bereits seit über zehn Jahren in unseren Grundwasserständen abzeichnen, sind nicht nur Folge zufälliger Witterungsschwankungen“, betont der Geologe Dr. Gunter Wriedt, der als Grundwasserexperte für den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) tätig ist.
Doch nicht nur die Klimakrise lässt die Wasserreserven sinken. Auch unser tägliches Trinkwasser und der große Bedarf der Industrie sind für den Rückgang verantwortlich. Laut Correctiv nennen die Behörden bei vielen Messstellen mit sinkenden Wasserständen den Bergbau als Ursache - vor allem die Gewinnung von Braunkohle.
Noch größere Wasserschlucker sind allerdings Unternehmen, die chemische Stoffe herstellen. Und davon gibt es in Niedersachsen einige. Die chemische Industrie ist mit einem Umsatz von rund 10 Mrd. Euro die viertgrößte Industriebranche in Niedersachsen. Zu den rund 160 Betrieben zählen auch die Emery Oleochemicals GmbH aus Loxstedt, die NTC Textilchemie in Zeven und das Chemiewerk Dow aus Stade. Der Grund für den hohen Verbrauch: Die Rohstoffe müssen erst erhitzt und dann mit Wasser abgekühlt werden.
DIE AUSNAHMEN: Warum das Grundwasser an einigen Messstellen steigt
In einigen Landkreisen in Niedersachsen - unter anderem in der Wesermarsch - gibt es mehrere Messstellen, bei denen die Grundwasserstände nicht sinken, sondern teilweise sogar steigen. Eine genaue Antworten für die jeweilige Messstelle konnten der Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft nicht geben. Doch es gibt Anhaltspunkte:
Die Unterschiede bei den Grundwasserständen innerhalb Niedersachsens hängen unter anderem mit der Witterung und dem Boden in der jeweiligen Region zusammen. Im Nordwesten regnet es generell mehr als im Südosten, erklärt Grundwasserexperte Dr. Gunter Wriedt. Hinzu kommen die Bodenverhältnisse: In einigen Regionen kann das Wasser von oberhalb durch einen weichen Boden zufließen, in andere Regionen besteht der Boden aus mehreren kaum durchlässigen Schichten.
Ein weiterer Grund für steigende Grundwasserstände an einzelnen Messstellen ist im Grunde selbsterklärend: Es wird einfach weniger Wasser entnommen. In der Nähe von Stade wurde beispielsweise weniger Trinkwasser gefördert. Deshalb steigt der Grundwasserstand dort, berichtet Correctiv.
Auswirkungen auf das Grundwasser haben auch Naturschutzmaßnahmen. Dabei werden beispielsweise einzelne Gebiete durch die Anpflanzung und Ansiedelung von Tier- und Pflanzenarten wieder in ihren natürlichen Zustand zurück versetzt.
Was ist Correctiv?
Correctiv ist ein gemeinnütziges Recherchenetzwerk in Deutschland. Die Redaktion hat ihren Hauptsitz in Essen und finanziert ihre investigativen Recherchen durch Spenden. Mehr Informationen über Correctiv finden Sie hier.