Power-Naps geben Weil neue Kraft
Zu Beginn gönnt Stephan Weil sich ein Nickerchen. Niedersachsens Ministerpräsident klappt mittags kurz nach der Abfahrt zu seiner Sommertour durch Südniedersachsen im Reisebus den Sitz etwas zurück und die Augen zu. Ein Kollege einer Nachrichtenagentur aus Berlin fragt sich, ob der Regierungschef überhaupt mit im Bus sitzt.
Powernap nennt man das, was Weil macht. Zehn Minuten sollen Experten zufolge reichen, um neue Energie zu tanken. Länger als 30 Minuten sollte die Ruhephase nicht andauern, um nicht in die Tiefschlafphase zu geraten und danach gerädert wieder aufzuwachen.
Weil kennt die Powernap-Regeln offenbar gut, ist nach wenigen Minuten wieder voll da. Der SPD-Politiker, seit Februar 2013 Regierungschef von Niedersachsen, braucht Energie für das, was vor ihm liegt.
Acht Termine in zwei Tagen. Es geht um den ländlichen Raum und unter anderem in ein medizinisches Versorgungszentrum, in einen Dorfladen, zu einem Anti-Gewalt-Projekt für Jugendliche, zum börsennotierten Pharma- und Labortechnik-Konzern Sartorius in Göttingen, ins Dorf Heckenbeck, wo es beim Schützenverein Horrido zwar einen musikalischen Empfang, aber kein mobiles Internet gibt, und außerdem in den Erlebniswald Solling – inklusive Baumhaushotel und Aussichtsturm.
Um 5.30 Uhr beginnt für ihn der Tag
Ein sportliches Programm für den 65-jährigen, der das Joggen mittlerweile aufgegeben hat, dafür aber nach dem Aufstehen um 5.30 Uhr ein 30-minütiges Workout einschiebt. „Das kostet morgens schon Überwindung, aber wenn ich abends um 22 Uhr nach Hause komme, habe ich keine Motivation mehr“, sagt Weil.
Während manche Teilnehmer der Gruppe den Aussichtsturm im Solling angesichts der hohen Temperaturen meiden, steigt Weil die unzähligen Stufen hinauf, genießt die Aussicht und kommt schweißgebadet wieder runter.
Zwischendurch ein kurzer Schnack mit pausierenden Besuchern des Sollings. Weil – locker im Poloshirt, in Jeans und mit sportlichen Schuhen unterwegs – ist bekanntlich ein volksnaher Ministerpräsident und begeisterter Wanderer.
Corona, Ukraine-Krieg, Verkehrswende
Später am Tag wird es körperlich gelassener, aber ein wacher Geist ist gefragt, wenn wissbegierige Journalisten den Ministerpräsidenten beim Medienabend ausfragen. Corona, Ukrainekrieg, Energie- und Verkehrswende, aber auch die Frage, die Weil nicht mehr hören kann: Zieht er durch bis zum Ende der Legislatur? Es kommt die übliche Antwort: Ja, wenn die Gesundheit mitspielt.
Wer den Ministerpräsidenten bei seinem Galopp durch Südniedersachsen beobachtet, muss daran keinen Zweifel haben. Mehr Verwalter als Gestalter? Weil winkt ab, will das für sich freilich nicht gelten lassen. Was aber will er noch schaffen, was ist ihm eine Herzensangelegenheit in den wohl noch drei Jahren seiner verbleibenden Amtszeit?
„Die Verwaltung soll schneller, besser und freundlicher werden.“ Weil weiß, dass er da dicke Bretter zu bohren hat und dieses Vorhaben Jahre dauern wird.
Er könnte es sich aber ja auch anders überlegen und 2027 doch noch einmal zur Wahl antreten? Weil lacht laut, antwortet aber eindeutig: „Bestimmt nicht. Dann bin ich fast 69. Irgendwann ist auch mal gut.“