Reeder: Infrastruktur für umweltfreundliche Schlepper fehlt

Reeder: Infrastruktur für umweltfreundliche Schlepper fehlt

Die Schifffahrtsbranche bemüht sich um Klimafreundlichkeit. Doch ihm fehlt Hilfe der öffentlichen Hand, sagt Holger Schwesig von Fairplay Towage. Im Interview verrät er auch, was den Job auf Schleppern ausmachen kann – von „WG“ bis Helikoptereinsatz.

Reeder: Bunker-Infrastruktur fehlt

Fairplay-Chef Schwesig nennt Lage in deutschen Häfen mit Blick auf Klima „beschämend“

Der Hamburger Reedereichef Holger Schwesig kritisiert fehlende Infrastruktur in deutschen Häfen, um Hafenschlepper umweltfreundlich mit Energie zu versorgen. „Es ist beschämend“, urteilte der Co-Geschäftsführer der Schleppreederei Fairplay Towage Group über die Versorgungsmöglichkeiten hierzulande. Fairplay Towage bildet mit rund 100 Fahrzeugen eine der großen Schleppreedereien in Europa und arbeitet mit rund zehn Schleppern in Bremerhaven und Bremen. Schlepper helfen in Häfen vor allem Seeschiffen beim An- und Ablegen und sind dafür mit starken Motoren ausgerüstet.

Infrastruktur muss langfristig verfügbar sein

Die Firma habe einen mit Wasserstoff angetriebenen Schlepper bauen lassen wollen, gern auf einer Werft in Deutschland, so Schwesig. Der hätte doppelt so viel wie ein normales Fahrzeug gekostet. Der Bund hätte einen kleineren Teil der Mehrkosten übernommen. Nach Schwesigs Worten fehlte aber die langfristig verlässliche Infrastruktur zum Bunkern: „Wir wollen das Fahrzeug 25, 30 Jahre lang betreiben. Wenn es nach fünf Jahren plötzlich keine Wasserstofftankstelle mehr gibt, weil irgendjemand sagt: ‚Ach, das hat sich doch nicht durchgesetzt.‘ Dann hat man mit Zitronen gehandelt.“ Schwesig bezog sich besonders auf Hamburg.

Aktuell beschäftige sich Fairplay Towage mit dem Konzept eines elektrischen Schleppers. Allerdings könnten die Batterien leerlaufen, etwa wenn er über viele Stunden ein Schiff gegen den Wind an die Kaje drücken müsse. Daher müsste er auch einen Diesel besitzen.

Landstromanschlüsse sind für Kreuzfahrtschiffe reserviert

Landstrom für seine Schlepperflotte ist Schwesig zufolge in Hamburg verfügbar, ebenso wie an den anderen deutschen Standorten. Die Anschlüsse reichten aber nur für den Bordbetrieb in der Liegezeit. „Wir bräuchten ja Ladekapazitäten, um Batterien zu laden und nicht um Lämpchen zu erhellen.“ Und die Landstromanschlüsse für den Hotelbetrieb der Kreuzfahrtschiffe, die womöglich stark genug zum Laden der Batterien von Schleppern wären, seien für die Kreuzfahrtschiffe reserviert.

Holger Schwesig ist einer der beiden Geschäftsführer der Schleppreederei Fairplay Towage aus Hamburg.

© Autenrieth

Holger Schwesig ist einer der beiden Geschäftsführer der Schleppreederei Fairplay Towage aus Hamburg.

Fairplay arbeitet laut Schwesig, der sich die Geschäftsführung mit Philip-Alexander Harmstorf teilt, auch an anderen alternativen Antrieben. „Wir forschen gerade, was das beste Set-up ist.“ Methanol zum Beispiel komme infrage, Ammoniak sei zu gefährlich, bei LNG sei die Dichte zu gering, sodass der Tank „größer als der Schlepper“ wäre.

Zehn herkömmliche Schlepper hat die Gruppe in den letzten Jahren bei Damen gekauft. Die niederländische Werft beherrsche das Geschäft mit Standard-Hafenschleppern ohne Sonderwünsche „perfekt“.

Reederei verfügt über rund 100 Fahrzeuge

Fairplay Towage, die 2017 Bugsier übernahm, verfügt über um die 100 Fahrzeuge. Damit werden nicht nur Hafendienste angeboten, sondern auch Verschleppungen zum Beispiel von reparaturbedürftigen Schiffen übers Meer. Auch in der Öl- und Gasindustrie kämen Fairplay-Fahrzeuge zum Einsatz, erläuterte Schwesig. Etwa bei Klassearbeiten an den Plattformen, wenn deren dynamische Positionierungssysteme ausgeschaltet und die Plattformen von Schleppern auf Position gehalten werden müssen. Ölplattformen schleppen könne Fairplay nicht, dafür brauche es stärkere Fahrzeuge mit Pfahlzügen über 200 Tonnen. „Ein Glück haben wir nie in dieses Segment investiert“, dort herrsche großer Überhang.

Der stärkste Schlepper von Fairplay ist mit 201 Tonnen Pfahlzug die „Nordic“. Sie bildet mit der „Baltic“ und der „Fairplay 35“ die Notschlepper der Flotte. Sie sind samt Crew vom Bund gechartert und werden bei Bedarf vom Havariekommando Cuxhaven angefordert – wie im Fall der „Eventin“. Der Öltanker, den Medien der sogenannten russischen Schattenflotte zuordneten, trieb im Januar manövrierunfähig in der Ostsee. Neben Schleppern anderer Eigner kam die „Baltic“, um den Tanker in die Nähe von Sassnitz zu schleppen und zu sichern.

„Dafür sind unsere Leute ausgebildet“

Schwesig nannte den Fall Routine. „Dafür sind unsere Leute ausgebildet.“ Fairplay besitze für solche Einsätze auch Towage Assistance Teams (Schlepp-Assistenz-Teams). „Diese Personen sind so geschult, dass sie von einem Helikopter abgeholt werden können, auf dem Havaristen abgesetzt werden, um dann mit unserem Kapitän auf der ‚Nordic‘ und der ‚Baltic‘ eine Schleppleinenverbindung herzustellen“, erläuterte Schwesig. „Wir könnten ja nicht einem ausländischen Kapitän eine Leine rüberwerfen, der vielleicht rudimentär Englisch spricht.“ Im Fall der „Eventin“ kam Schwesig zufolge das Towage Assistance Team von Fairplay zum Einsatz.

Fairplay sucht neue Mitarbeiter, insbesondere männliche und weibliche Auszubildende zum Schiffsmechaniker/-in, die später oft den Weg zum Kapitän einschlagen. „Du lernst wahnsinnig viel, dieses ganze Thema Technik und auch Nautik“, wirbt Schwesig. Ausbildungsschiff ist die „Nordic“, die meist bei Helgoland liegt. Dort lernten die Azubis ihr seemännisches Rüstzeug, zum Beispiel Leinen spleißen, Schäkel machen oder wie sich Ballasttanks auswirken.

Geschäftsführer wünscht sich mehr weibliche Azubis

Fairplay Towage habe rund 50 Schiffsmechaniker-Azubis. Darunter seien fünf Frauen. „Das ist zu wenig“, urteilte Schwesig. Umso mehr, als es besser für den Komfort der weiblichen Azubis sei, wenn sie zu mehreren an Bord seien. „Das ist wie eine große WG. Ich muss mit den Leuten an Bord leben. Ich fahre ja nicht abends nach der Arbeit nach Hause.“

Die Schlepper-Crews bleiben in der Regel zwei Wochen auf ihrem Fahrzeug und haben dann zwei Wochen frei. Gegenüber anderen Seeleuten sieht Schwesig große Vorteile. „Bei uns kann man Kapitän sein, ist aber nur zwei Wochen weg.“ Dadurch könne man die Zeit mit Ehepartnern und Kindern gemeinsam planen. „Das ist so das Beste aus zwei Welten.“ (skw)

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Erstellt:
23.01.2025, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 37sec

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