Weil: „Bei Problemen mit dem Wolf müssen wir eingreifen können“

Weil: „Bei Problemen mit dem Wolf müssen wir eingreifen können“

Ist die Ampel in Berlin verantwortlich für das Erstarken der AfD? Ist Olaf Scholz zu unsichtbar und wäre Boris Pistorius der bessere Bundeskanzler? Im Interview gibt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) klare Antworten und zeigt beim Wolf Biss.

„Bei Problemen mit dem Wolf müssen wir eingreifen können“

Interview: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will beim Thema Wolf nicht locker lassen

Herr Ministerpräsident, immer mal wieder werden Spekulationen laut, wonach Sie doch nicht die gesamte Legislaturperiode an der Spitze bleiben. Was sagt der Regierungschef selbst dazu?

Dasselbe wie in unseren letzten Gesprächen. Ich will gerne die volle Legislaturperiode im Amt bleiben. Daran hat sich nichts geändert.

Wie läuft es mit den Grünen als Koalitionspartner der SPD? Besser als zuvor in der Großen Koalition mit der CDU?

Die Zusammenarbeit mit den Grünen läuft ausgesprochen gut. Das haben jetzt auch die Haushaltsplanberatungen noch mal gezeigt. Wir haben auch mit der CDU gut zusammengearbeitet, aber eben unter anderen Vorzeichen, weil es sich um eine Koalition zweier bekennender, fast gleich großer Konkurrenten handelte. Das ist jetzt ganz anders. Außerdem sind SPD und Grüne auch in vielen Punkten politisch näher beieinander.

Die AfD erzielt in Umfragen bundesweit momentan Spitzenwerte. Woran liegt das?

Viele Menschen sind leider derzeit hochgradig unzufrieden mit der aktuellen Politik. Sie suchen ein Ventil, um ihren Unmut zum Ausdruck zu bringen, und das ist allzu oft die AfD. Darunter sind auch Menschen, die grundsätzlich kritisch sind gegenüber der Demokratie oder komplett ablehnend bei Themen wie Klimaschutz und Migration. Dieser Teil ist schwer zu erreichen. Diejenigen aber, die enttäuscht sind von der aktuellen Politik und sich aus Protest der AfD zuwenden, die kann man auch durch gute Politik zurückgewinnen. Davon bin ich überzeugt.

Sie sprechen von guter Politik. Wie sieht die aus?

Gute Regierungspolitik gibt den Menschen eine Orientierung, auf die sie sich verlassen können. Darum bemühen wir uns in Niedersachsen und ich glaube, durchaus mit Erfolg. Disharmonien in Berlin sorgen leider allerdings auch immer wieder für einen anderen Eindruck. Das sollte sich dringend ändern, auch damit die AfD wieder schwächer wird.

Erhebliche „Disharmonien“, wie Sie es nennen, gab es beim Heizungsgesetz. Das Ganze gipfelte nun darin, dass das Bundesverfassungsgericht dazwischengrätschte. Wie sehr hat Sie der Ampelstreit über das Heizungsgesetz geärgert?

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mich darüber tatsächlich geärgert habe. Ich verstehe nicht, warum man im Vorfeld nicht mit unterschiedlichen Beteiligten in den Austausch über den richtigen Weg gegangen ist. Das war ein Versäumnis, unter dem die gesamte anschließende Diskussion über das Gesetz gelitten hat. Bemerkenswert ist übrigens, dass die Union als größte Oppositionspartei im Bund von dem Unmut so gut wie gar nicht profitiert. Insofern haben nicht nur die Ampelparteien eine große Baustelle, sondern gerade auch die CDU/CSU.

Bleiben wir mal bei der Ampel: Wer ist aus Ihrer Sicht der größte Quertreiber?

Die unzulängliche Vorbereitung beim Heizungsgesetz hat ohne Zweifel geschadet. Die breite öffentliche Inszenierung von internen Meinungsverschiedenheiten hat dann noch mehr zu einem sehr schlechten Gesamteindruck geführt. Den Löwenanteil an Letzterem hat die FDP zu verantworten. Es ist ein Gebot der Vernunft, daraus zu lernen und in Zukunft gern intern streitig zu diskutieren, aber nach außen geschlossen aufzutreten. Nur so lässt sich Vertrauen zurückgewinnen.

Der Musiker Heinz Rudolf Kunze, früher selbst Mitglied der SPD, sagte kürzlich in einem Interview mit unserer Redaktion: „Olaf Scholz ist einfach zu wenig wahrnehmbar. Er hat zu viel von Angela Merkel gelernt.“ Sehen Sie das ähnlich? Hätte der Bundeskanzler stärker in die Heiz-Debatte eingreifen müssen?

Nein, das sehe ich anders.

Warum?

Weil es ein Irrglaube ist, dass ein Regierungschef nur fest genug mit der Hand auf den Tisch hauen muss und dann läuft alles wie geschmiert. Das ersetzt keine Gemeinsamkeit und auch keine parlamentarische Mehrheit. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, welch eine Vielzahl von schwierigen nationalen und internationalen Themen Olaf Scholz derzeit gleichzeitig auf dem Schreibtisch hat. Der Streit ums Heizungsgesetz ist für mich mehr Ausdruck mangelnder gemeinsamer Verantwortung für das große Ganze. Eine Regierung muss geschlossen auftreten, das gilt unter den aktuellen Bedingungen mehr denn je.

Stephan Weil und Boris Pistorius (beide SPD) sind Weggefährten aus Niedersachsen. Pistorius war Weils Innenminister, bevor dieser Bundesverteidigungsminister in Berlin wurde.

© Schuldt/dpa

Stephan Weil und Boris Pistorius (beide SPD) sind Weggefährten aus Niedersachsen. Pistorius war Weils Innenminister, bevor dieser Bundesverteidigungsminister in Berlin wurde.

Ist der Kanzler denn zu wenig wahrnehmbar, wie Kunze meint?

Ganz und gar nicht. Olaf Scholz ist sehr präsent und das bei vielen sehr schwierigen Themen gleichzeitig.

Das gehört ja auch zur Jobbeschreibung.

Richtig, aber wer von uns möchte in diesen extrem schwierigen Zeiten eigentlich gerade gerne Bundeskanzler sein?

Friedrich Merz von der CDU hätte bestimmt nichts dagegen.

Vermutlich, aber gerade der sollte es besser nicht sein, oder ?

Heinz Rudolf Kunze glaubt auch, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius das Zeug zum Kanzler hätte. Sie kennen Ihren früheren Innenminister ausgesprochen gut. Stimmt, was Kunze sagt?

Ich freue mich sehr darüber, dass Boris Pistorius als Verteidigungsminister so eine glänzende Figur macht. Aber die Frage nach dem Bundeskanzler stellt sich nicht.

Ich habe sie aber gerade gestellt.

Ja, aber wir haben einen höchst kompetenten und motivierten Bundeskanzler. Der heißt Olaf Scholz und soll es auch bleiben – da ist sich die ganze SPD einig.

Würden Sie denn zustimmen, dass Pistorius deutlich stärker als Macher auftritt und als nächster Kanzlerkandidat womöglich bessere Chancen hätte als Olaf Scholz?

Nein, würde ich nicht. Beide sind erstklassige Politiker und genau richtig auf ihren Posten.

Ich merke, dass wir hier nicht weiterkommen. Also zurück zur AfD: Aus Prinzip dagegen, weil die AfD dafür ist – halten Sie eine solche Blockadehaltung für zielführend?

Natürlich nicht. Wenn die AfD ein Thema aufwirft, das von Bedeutung ist, kann man doch nicht aus Prinzip sagen, darüber reden wir nicht. Politik muss schließlich die Themen angehen, die für die Bürgerinnen und Bürger wichtig sind und es ist egal, wer das auch noch tut. Allerdings landen wir meistens bei ganz anderen Antworten als die AfD.

Mittlerweile gibt es in Thüringen den ersten Landrat und in Sachsen-Anhalt den ersten Bürgermeister der AfD. Halten Sie das auch in Niedersachsen für denkbar?

Nein, das kann ich mir aktuell und auch auf Sicht nicht vorstellen. Es gibt deutlich erkennbare Unterschiede zwischen West und Ost. Als Politik muss es uns wirklich umtreiben, warum die innere Einheit, von der jahrzehntelang die Rede war, offenbar nicht nur nicht vorangeht, sondern sogar Rückschritte macht.

Ein anderes emotional aufgeladenes Thema ist die Debatte um den Wolf, in die Sie sich jüngst mit deutlichen Worten eingeschaltet haben. Der Wolf zählte bislang nicht zu Ihrem Top-Thema, jetzt wollen Sie ihn zur Chefsache machen. Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?

Wir haben in Niedersachsen mehr als 40 Rudel. Das sind um die 400 bis 500 Wölfe. Das sind vor allem in einzelnen Regionen schlichtweg zu viele und geht so nicht. Ich kann bisher nicht erkennen, dass der Bund sich darum kümmert, dass wir zu einem regionalen Bestandsmanagement kommen, wie es in der Koalitionsvereinbarung der Ampel angekündigt wird. Dass sich überhaupt nichts bewegt, macht mich unruhig.

„Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das ganz viele Menschen in Sorge versetzt.“
Dasselbe gilt für Brüssel, wo ja die wesentlichen Regeln gemacht werden. Niedersachsen zählt zu den überlasteten Regionen in Europa und es ist mir deswegen wichtig, deutlich Stellung zu beziehen. Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das ganz viele Menschen in Sorge versetzt. Und wenn Politik dann den Eindruck vermittelt, sie könne keine Antworten geben, macht das die Menschen wütend. Als niedersächsischer Ministerpräsident kann ich bedauerlicherweise nicht die Regeln für das Wolfsmanagement selbst ändern, aber ich kann so viel Druck wie möglich machen. Das gilt sowohl für Berlin als auch für Brüssel.

Wie lautet Ihre konkrete Forderung? Muss es leichter werden, Problemwölfe abschießen zu dürfen?

Nicht nur das. Wir müssen vor allem die Möglichkeit haben, flexibler auf Probleme mit dem Wolf zu reagieren. Es geht nicht um die Ausrottung des Wolfes, aber bei einer Überlastung, wie wir sie in Teilen Niedersachsens erleben, müssen wir eingreifen können. Das gilt vor allem für die Küstenregion und die Lüneburger Heide.

Kommen wir noch kurz zur Musik: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat kürzlich bei der Kieler Woche den Partyhit „Layla“ mitgesungen und wurde dafür scharf kritisiert. Können Sie die Aufregung nachvollziehen oder wären Sie bei „Layla“ auch textsicher?

Das ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man dieses Lied nun mitsingt oder nicht. Da gilt der Grundsatz von Friedrich dem Großen: Tiefer hängen. Ich jedenfalls mag andere Musik.

Und zwar?

Vor allem gute Rockmusik. Ich bin ein großer Fan von Bruce Springsteen.

Stephan Weil, der Niedersachsen für eine Problemregion in Sachen Wolf hält

Ist die Ampel in Berlin verantwortlich für das Erstarken der AfD? Ist Olaf Scholz zu unsichtbar und wäre Boris Pistorius der bessere Bundeskanzler? Im Interview mit unserer Redaktion gibt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) klare Antworten und zeigt beim Wolf Biss. Bei manchen Themen aber versucht er auch, auszuweichen.

Weil: „Bei Problemen mit dem Wolf müssen wir eingreifen können“

© dpa

Ihr Autor

Lars Laue, Büro Hannover

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Erstellt:
08.07.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 17sec

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