Digitales Früchtchen als Obstretter
Um die Nachfrage der Kunden nach frischem Obst das ganze Jahr über bedienen zu können, werden Äpfel bei geregelter Atmosphäre über mehrere Monate gekühlt. Dabei verderben jedoch bis zu 10 Prozent aller Früchte. Alleine für Deutschland macht das 100.000 Tonnen weggeworfene Äpfel im Jahr aus.
Jede Möglichkeit, solche Verluste zu reduzieren, ist deshalb von großer ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Dies ist das Ziel eines neuen Projekts der Uni Bremen und des Potsdamer Leibniz-Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB). Dazu wollen die Forscher einen digitalen Zwilling - ein möglichst genaues Abbild der Frucht - entwickeln, der die Luftfeuchtigkeit überwacht. Das Projekt wird bis 2026 mit 600.000 Euro gefördert.
Erfindung bisher bei Lebensmitteln kaum im Einsatz
„Das richtige Management der Luftfeuchte ist wichtig“, sagt Dr. Pramod Mahajan, Projektleiter am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam. „Die Kühlung wird zyklisch ein- und ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Sind die Schwankungen der Temperatur und Luftfeuchte zu groß, wirkt sich dies nachteilig auf die Qualität der Früchte aus: Ist die Luftfeuchte zu hoch, kondensiert Wasser auf den Früchten und Mikroorganismen finden ideale Wachstumsbedingungen.“ Ist sie dagegen zu niedrig, verlieren die Früchte Gewicht durch Verdunstung.
Ziel des Projektes Fruity Twin ist es, quasi vor der Tür von Europas zweitgrößtem Obstanbaugebiet an der Elbe optimale Lagerbedingungen mit einem günstigen Grad an Kondensation zu erreichen. Dazu wollen Dr. Reiner Jedermann, Post Doc in der Elektrotechnik an der Uni Bremen, und Dr. Mahajan das Konzept des digitalen Zwillings, das bisher in industriellen Prozessen eingesetzt wurde, auf die Lagerung von Lebensmitteln übertragen.
„Bisher mussten die Daten ‚von Hand‘ zwischen den eingehenden Messdaten und den verschiedenen Modellen übertragen werden“, sagt Jedermann vom Institut für Mikrosensoren, -aktoren und -systeme (IMSAS). „Digitale Zwillinge bieten jetzt die Möglichkeit, alle Modelle und Softwarekomponenten in einer gemeinsamen Plattform zu implementieren.“
Qualität der Früchte schützen als Maxime
Ein digitaler Zwilling ist ein Abbild der echten Frucht, aber auf einer Computerplattform. Man kann so in die Frucht hineingucken und diverse Eigenschaften abfragen, die sich nicht oder nur schwer direkt messen lassen. „Mit der Entwicklung eines digitalen Zwillings sieht das Projekt eine Zukunft vor, in der virtuelle Experimente und vorausschauende Fähigkeiten die Qualität von Früchten schützen“, so Mahajan. „Die virtuellen Experimente erlauben es, Auswirkungen von Änderungen an den Kühlparametern zuerst im Computer zu testen, bevor Einstellungen am ‚echten‘ Kühlaggregat vorgenommen werden. Die Kühlzyklen können dynamisch an den Zustand der Früchte angepasst und die Wasserkondensation auf den Früchten kann gesteuert werden. So lassen sich die Lagerbedingungen genauer kontrollieren und Verluste können deutlich verringert werden.
Seit zehn Jahren Kampf gegen Lebensmittelverschwendung
Das Projekt „Fruity Twin - Digitaler Zwilling zum Management von Kondensation auf Früchten in Kühllagern“ ist auf drei Jahre angelegt und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Bereits seit zehn Jahren forschen die Uni Bremen und das ATB in Potsdam dazu, wie sich Lebensmittelabfälle verringern lassen. Angefangen hatte es mit dem Intelligenten Container. (pm/wil)