„Der Ideenreichtum von Arbeitgebern verwundert“, sagt Hauer, die die Rechtsberatung bei der Arbeitnehmerkammer leitet. Mehr als 88.000 Beschäftigte aus Bremerhaven und Bremen suchten im vergangenen Jahr hier Rat, allein bei mehr als 7.500 Anfragen ging es ums Gehalt. Gerade bei den staatlichen Hilfen in Krisenzeiten wie Pflegeprämie oder Corona-Bonus gab es Ärger. Sie sollten vom Arbeitgeber ausgezahlt werden. „Häufig haben wir in der Beratung erlebt, dass Arbeitgeber das Geld nicht, nur teilweise oder erst viel später als angekündigt bezahlt haben“, sagt sie.
Unverständliche Verträge und Abrechnungen
Bei der Rechtsberatung landen nur die Fälle, bei denen es hapert und wo der Arbeitnehmer sich traut, auf sein Recht zu pochen. Unter den Leiharbeitern gibt es da nicht so viele. Viele haben nur geringe Deutschkenntnisse, und viele verstehen die Verträge nicht richtig. Das geht übrigens den Beratern der Arbeitnehmerkammer nicht anders, obwohl das Volljuristen sind. „Die Lohnabrechnungen sorgen bei uns für graue Haare“, sagt Hauer. Da würden viele Dinge miteinander vermischt, „das hat Methode“. Als Beispiel nennt die Leiterin die Nichteinsatzzeiten zwischen zwei Einsätzen, die bei Leiharbeitern vergütet werden müssen. Da würden einige Arbeitgeber den Beschäftigten schon mal auffordern, Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubauen. In den Beratungsgesprächen berichteten Beschäftigte auch davon, dass das Gehalt gar nicht oder nicht pünktlich bezahlt worden sei.
Es seien oft die gleichen Betriebe, die auffällig werden. „Die bösen Buben sind bekannt“, sagt Hauer. Nennen darf sie diese nicht, da ihre Informationen aus vertraulichen Gesprächen stammen. Aber als auffällige Branchen benennt sie den Baubereich und den Reinigungsbereich. Die Berater empfehlen den Betroffenen, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden, die die Zulassung zur Leiharbeit entziehen kann. Auch bei der Gewerbeaufsicht könnte man vorstellig werden. Kammer-Geschäftsführerin Elke Heyduck macht aber deutlich, dass es nur um „Schwarze Schafe“ gehe und nicht um die gesamte Leiharbeitsbranche. 14.000 Beschäftigte sind derzeit landesweit in Leiharbeit - laut Kammer wieder deutlich mehr als zur Corona-Zeit.
Streit um Vergütung der Überstunden
Die Vergütung von Überstunden ist für die Kammer ebenfalls als Thema ein Dauerbrenner. Streit gibt es oft, wenn Überstunden trotz gesetzlicher Verpflichtung nicht erfasst werden. Die Beschäftigten seien dann in der Beweispflicht, und das sei schwierig. Sie empfehle jedem, sich täglich seine Arbeitszeiten zu notieren: „Kommen, Gehen, Pausenzeiten“, sagt Hauer. Und dann gegenzeichnen lassen. Ein Drittel der Beschäftigten leistet Überstunden, hat eine Kammer-Umfage ergeben. Die Kammer begrüßt es deshalb, dass das Bundesarbeitsgericht die Erfassungspflicht klargestellt hat und das Bundesarbeitsministerium die Vorgaben nun in einem Gesetz bündeln will.
Eine positive Entwicklung hat die Kammer bei den Kündigungen festgestellt: Es gibt deutlich weniger Entlassungen durch den Arbeitgeber. „Das zeigt, dass der Markt sich dreht und die Unternehmen versuchen, ihre Mitarbeiter zu halten“, sagt Heyduck. Aber die Eigenkündigungen der Beschäftigten befinden sich auf einem hohen Niveau, ergänzt Hauer. Es werde schneller gekündigt, weil viele einen besseren Job finden. Die Arbeitgeber hätten oft Probleme, den Arbeitsplatz wieder zu besetzen. Das führe dann leider zu Arbeitsverdichtung bei den anderen Kollegen.