Kristian Kamp

© Heike Leuschner

Claus Peter steht in seinem Hotel in der Wingst nicht nur selbst am Herd. Mit kreativen Aktionen sorgt er in seiner Küche auch immer wieder für Abwechslung und ein gutes Betriebsklima.

Lässt sich die Gastro-Branche mit Küchen-Duellen retten?

Der Personalmangel zwingt die die Hotel- und Gaststättenbranche zum Umdenken. Wertschätzung und höhere Löhne für Mitarbeiter stehen im Fokus

Der Blick geht auf die Mitarbeiter

Personalmangel zwingt Hotel- und Gastro-Branche zum Umdenken - Wertschätzung und Löhne im Fokus

Immer mehr Hotels und Restaurants müssen ihre Angebote reduzieren, weil ihnen die Leute fehlen. Dabei gibt es kreative Ideen, um mit dem schlechten Ruf der Branche Schluss zu machen. Wo sie umgesetzt werden, sind Jobs mit Wohlfühlfaktor das Ergebnis.

In der Hotel- und Gastrobranche fehlen Mitarbeiter und Azubis. „Unsere Branche hat ein Imageproblem“, sagt Kristian Kamp. Der Hotelier steht seit 15 Jahren an der Spitze des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga in der Stadt Cuxhaven. Das Klischee von schlechter Bezahlung, Überstunden, Wochenenddiensten am laufenden Band haftet dem Gewerbe immer noch an. Doch die Branche wandelt sich. Kreative Ansätze gibt es auch in Cuxhaven und im Hinterland.

Die braucht es auch. Deutschlandweit haben etwa 216.000 Beschäftigte während der Corona-Krise die Gastrobranche verlassen, heißt es in einem Untersuchungsbericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Viele sind 2020 und 2021 abgewandert - in den Einzelhandel, in die Logistik und den Lebensmitteleinzelhandel. Etwa fünf Prozent seien zurück. „Aber das reicht nicht“, sagt Kamp.

Starker Rückgang bei Ausbildungsverträgen

Gleichzeitig findet die Branche immer weniger Nachwuchs. 2007 seien in Deutschland noch 105.000 Ausbildungsverträge im Hotel- und Gaststättenwesen abgeschlossen worden, berichtet der Cuxhavener Dehoga-Vorsitzende. „Seither befinden wir uns in einer stetigen Degression.“ So hätten sich die Ausbildungsverträge bis 2019 bereits mehr als halbiert. Durch Corona habe die Branche noch einmal 15 Prozent eingebüßt, „so dass wir jetzt bei rund 42.000 Ausbildungsverträgen in Deutschland angekommen sind“.

Dass die Berufe im Hotel- und Gaststättenwesen bei Schülern aus dem Fokus geraten sind, spürt auch Kamps Berufskollege Carsten Weber. Von zehn Ausbildungsstellen hat der Geschäftsführer des Best Western Hotel Das Donners in Cuxhaven in diesem Jahr eine besetzen können. Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu finden, begleiten ihn aber schon länger. "Dauerhaft haben wir das Problem seit 2018/19", berichtet der Betreiber des Vier-Sterne-Hauses.

Hotellier setzt auf eigene Mitarbeiterwohnungen

Weber hofft, dass sich das demnächst ändert. Gerade wurden die Kellerwände für ein neues Wohngebäude aufgestellt, das der Unternehmer in zentraler Cuxhavener Lage für Mitarbeiter errichtet. Elf möblierte Wohnungen zwischen 21 und 39 Quadratmetern sollen entstehen. "Wir hoffen, dass wir als Arbeitgeber attraktiver werden, wenn wir auf dem mittlerweile auch in Cuxhaven umkämpften Wohnungsmarkt selbst Wohnungen anbieten können." Dabei denkt er insbesondere an Azubis und Mitarbeiter aus entfernteren Teilen Deutschlands oder auch aus dem Ausland.

Ins Ausland schaut auch Kamp, wenn es um Nachwuchs für sein Unternehmen geht. So attraktiv Cuxhaven für Urlauber auch sei, für junge Leute sei die Stadt nicht besonders anziehend. Vor Jahren kam die Idee einer Tourismusakademie in Cuxhaven auf. Konkrete Pläne gibt es dazu aktuell nicht. Dabei findet Kamp: „Es wäre gut für Cuxhaven, etwas mit Sprachen zu machen.“

Im eigenen Unternehmen beschäftigt er rund 100 Mitarbeiter aus 15 Nationen. „Ein Auswuchs des Fachkräftemangels“, betont Kamp. Aus einer Schule in Vietnam, an der Deutsch unterrichtet wird, kommt gerade eine Auszubildende. Aber auch aus Spanien, Nepal, Madagaskar, Indonesien Jakarta, Brasilien und Kirgisistan haben er und seine Frau schon Mitarbeiter angeworben. „Es gehört viel Mühe, viel Präsenz, auch im digitalen Sektor dazu“, berichtet Kamp. Aus dem hohen Anspruch heraus sei eine eigene Marketingabteilung entstanden.

„Nicht nur Gästen gegenüber wertschätzend aufstellen“

Kamp, der an der Spitze eines Hotels mit 127-jähriger Tradition steht, räumt ein, dass die Branche ihr Imageproblem selbst mitverschuldet habe: „Wir sind nicht gerade die Toplohngruppen gewesen.“ Aber das wandle sich gerade. Auch im eigenen Haus habe ein Umdenken stattgefunden. „Wir müssen uns nicht nur Gästen gegenüber modern, digital, verlässlich, wertschätzend aufstellen, sondern insbesondere auch gegenüber Mitarbeitern.“ Eine Fünf-Tage-Woche und ein freies Wochenende im Monat seien in seinem Haus neben mindestens tariflicher Bezahlung die Regel.

Kamp weiß auch, dass die Hotel- und Gastrobranche in Cuxhaven, dem größten deutschen Nordseeheilbad, im Vergleich zu anderen Regionen sehr gut dasteht. Schon im direkten Hinterland hat die Branche mehr zu kämpfen. "Es war schwierig, in der Saison Stellen mit Mitarbeitern zu besetzen", berichtet Olaf Wurm, Betreiber des Restaurants „Fisch & Meer“ im touristisch geprägten Dorum-Neufeld und Vorsitzender des Dehoga-Bezirksverbandes Stade. Aus seiner Sicht fehlten insbesondere Mitarbeiter für die einfachen Jobs, die keine jahrelange Ausbildung erfordern.

Zusätzliche Ruhetage und verkürzte Öffnungszeiten

Weil Personal fehlt, hätten Gastronomen im Dehoga-Bezirk Stade zusätzliche Ruhetage eingeführt oder Öffnungszeiten reduziert. Wurm selbst schließt sein Restaurant jetzt bereits um 20 statt um 21 Uhr. „Das hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter gegen 21 Uhr zu Hause sind und auch noch etwas vom Abend haben." Das wiederum erhöhe die Zufriedenheit der Beschäftigten.

Olaf Wurm

© Leuschner

Wir haben zurzeit zwei Hauptprobleme - den Arbeitskräftemangel und die Energiekrise.

Die Kehrseite: Größere Feiern könnten manchmal aufgrund des Mitarbeitermangels nicht angenommen werden oder auch das Restaurant nicht voll besetzt werden, ergänzt Dehoga-Geschäftsführerin Nathalie Rübsteck. „Dazu kommt, dass in vielen familiengeführten Unternehmen der Chef, die Chefin oder auch weitere Familienmitglieder wieder verstärkt operativ mitarbeiten. Das führt natürlich dazu, dass hier keine Zeit bleibt für Büroarbeit oder planerische Tätigkeiten und das Ehrenamt natürlich als Erstes hinten runter fällt‘."

Wurm geht davon aus, dass sich die angespannte Personalsituation gerade in ländlichen Bereichen nicht erholen, sondern eher noch verstärken wird. An der Bezahlung liege das aber nicht mehr. Der Mindestlohn trage dazu bei, aber auch die Absenkung der Mehrwertsteuer habe der Branche ein wenig Luft verschafft.

Mit Kitchen-Battles Berufsanfängern Spaß vermitteln

Besonders kreativ in Sachen Nachwuchswerbung ist Claus Peter, Küchenchef und Betreiber des Hotels Peter in der Wingst. Er hat die Erfahrung gemacht, dass für viele Azubis das Gastgewerbe nicht die Wahl A bei der Berufssuche sei. Obendrein liegt Peters Hotel weit weg von städtischer Infrastruktur – an der Peripherie der Samtgemeinden Land Hadeln und Hemmoor. „Das macht uns auch als Betrieb zur Wahl B“, sagt Peter. Wer in der Gastrobranche etwas werden wolle, suche nach Ausbildungsbetrieben mit Renommee.

Doch Peter hält dagegen: "Vom ersten Ausbildungstag gilt es, Berufsanfängern Spaß und Abwechslung zu vermitteln", findet der Hotelier. Er tut das mit Kitchen-Battles, Wettbewerben, bei denen sich die (angehenden) Köche mit Meistern „duellieren“. Die Köche kreieren Menüs, die sie den Gästen im Restaurant kredenzen und wofür sie sich anschließend bewerten lassen. Außerdem richtet der Chef mit seinem Team in unregelmäßigen Abständen Pop-up-Restaurants außerhalb des eigenen Gasthauses ein. Organisation und Planung legt Peter bewusst in die Hände seiner Nachwuchscrew. „Das ist eine wunderbare Möglichkeit, Verantwortung zu übertragen und das Selbstvertrauen der Azubis zu stärken.“

Hotel Peter Wingst

© Heike Leuschner

Kristian Kamp, Vorsitzender der Cuxhavener Dehoga und Betreiber vom Strandhotel Duhnen in Cuxhaven, hat schon vor Jahren angefangen, neben den Gästen auch die Mitarbeiter stärker in den Fokus zu rücken.

Olaf Wurm, Bezirksvorsitzender Dehoga-Verband Stade

Zum Artikel

Erstellt:
16.11.2022, 15:31 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 14sec

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen