Mit dem Handy oder der Gopro nimmt Lukas Döscher seine Abonnenten mit in den Arbeitsalltag.

© Arnd Hartmann

Mit dem Handy oder der Gopro nimmt Lukas Döscher seine Abonnenten mit in den Arbeitsalltag.

Landwirt aus dem Cuxland ist ein YouTube-Star

Bekannt als Cuxland Argarvideos: Landwirt Lukas Döscher aus Cuxhaven teilt seinen Alltag auf YouTube in Farmvlogs und hat über 56.000 Abonnenten.

Landwirt wird YouTube-Star

Lukas Döscher aus Schiffdorf postet seinen Alltag auf YouTube und trifft damit einen Nerv

Zwischen Acker und Online: Der 25-jährige Lukas Döscher aus dem Cuxland baut die Landwirtschaft seines Großvaters wieder auf und postet den Arbeitsalltag auf YouTube. Aus dem kleinen Hobby ist ein wahnsinniger Erfolg geworden. Was steckt dahinter?

Wer auf YouTube nach dem schönen Cuxland sucht, taucht nicht etwa als Erstes in romantische Nordseestimmung oder Fischbrötchengenuss ein. Er landet auf einem Trecker beim Heumachen, beim Dreschen, beim Ballenpressen. Genauer gesagt auf einem kleinen Hof in Schiffdorf, bei „Cuxland Agrarvideos“ - dem YouTube-Kanal von Farmvlogger Lukas Döscher. Dort teilt der gelernte Landwirt sein Leben und Arbeiten auf dem Hof, den er Stück für Stück wieder zum Leben erweckt. Heute begleiten den 25-Jährigen mehr als 56.000 Menschen auf seinem Weg zum Vollerwerbshof.

„Moin und herzlich willkommen zu einem neuen Farmvlog.“ So begrüßt Lukas Döscher locker und sympathisch seine Abonnenten in jedem Video. Vlog ist die Abkürzung für Videoblog – er führt ein öffentliches Videotagebuch. „Ich bin eigentlich ziemlich schüchtern und rede überhaupt nicht gerne vor Menschen. Aber so bin ich ja nur für mich mit meiner Kamera und denn is’ gut“, erzählt Lukas. Die Zahl seiner Abonnenten findet er trotzdem surreal - schließlich könnte er mit ihnen das Volksparkstadion in Hamburg füllen.

Ein Mann schmeißt mit einer Forke Heuballen auf einen Höhenförderer.

© Arnd Hartmann

Das Hauptgeschäft macht er im Moment mit Heu und Stroh. Hier gabelt er Heuballen auf den Höhenförderer, damit diese über den Winter auf dem Scheunenboden trocken eingelagert werden können.

Lukas hatte auf YouTube nach kleineren Landwirtschaften gesucht, die, wie er, auch mit kleiner Technik arbeiten. „Aber da gab’s nichts. Alles nur große, moderne Technik. Dann hab ich gedacht: Wieso mach ich das nicht selbst?“, erinnert er sich. Im Februar 2017 veröffentlichte er sein erstes Video. Mittlerweile versucht er, zwei Mal die Woche ein Video hochzuladen, ist außerdem auf Instagram und TikTok unterwegs und verkauft Fanartikel

Dass das solche Ausmaße annimmt, hätte ich mir niemals vorstellen können.

Menschen aus ganz Deutschland zwischen 13 und 65 Jahren schauen seine Videos, aber auch aus der Schweiz und Österreich. Viele von ihnen hätten selbst einen Hof oder zumindest in der Familie. „Aber ich hab jetzt auch schon viele getroffen, die überhaupt keine Landwirtschaft haben. Warum die das gucken, weiß ich manchmal auch nicht“, sagt Lukas und lacht. In seiner Nische, die gar nicht mehr so klein ist, ist der Schiffdorfer bekannt. Es sei für ihn immer noch komisch, wenn kleine Jungs auf Messen vor Aufregung stotterten, weil sie ein Bild mit ihm machen möchten. „Dass das solche Ausmaße annimmt, hätte ich mir niemals vorstellen können.“

Der IHC ist der erste Trecker, mit dem Farmvlogger Lukas Döscher seinen Fuhrpark aufgestockt hat.

© Arnd Hartmann

Der IHC ist der erste Trecker, mit dem Farmvlogger Lukas Döscher seinen Fuhrpark aufgestockt hat.

Mit einem Trecker und einem Anhänger hat vor fünf Jahren alles angefangen. Neben seinem Vollzeitjob in einer Baumschule hat er begonnen, die Landwirtschaft seines Großvaters wieder aufzubauen. Seitdem ist nicht nur der Hof auf ihn überschrieben und der Maschinenpark größer geworden. Viele Menschen nehmen Anteil an seinem Weg, lernen mit und von ihm. „Wir bekommen aber auch coole Tipps und können von den Kommentaren unter den Videos etwas lernen“´, erzählt er.

Die eigenen Flächen sind noch fünf Jahre verpachtet. Mittlerweile bewirtschaftet er über 50 Hektar dazugepachtetes Land im Nebenerwerb. Alles im „Feierabend“. Dazu kommt noch das Produzieren der Videos. „Filmen ist gar nicht so zeitraubend. Das Schlimme ist das Schneiden“, sagt Lukas. Für ein 30 Minuten langes Video schneidet er zweieinhalb Stunden. Wie das funktioniert, hat er sich selbst beigebracht. „Dabei hab ich mit Computern eigentlich gar nichts am Hut. Ich bin froh, wenn ich das Teil anbekomm und freu mich, wenn ich wieder ein Video zusammengeschnitten gekriegt hab“, erzählt Lukas und lacht.

Eine Frau mit blonden geflochtenen Zöpfen und ein Mann in grauem Pulli stehen zusammen und halten sich an den Händen.

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Frau Annkathrin unterstützt Lukas auf dem Hof und kümmert sich um alles, was hinter den Kulissen anfällt - zum Beispiel die Buchhaltung.

Für Schlaf bleiben ihm und seiner Frau Annkathrin nicht viel Zeit. Sie kümmert sich um alles, was hinter den Kulissen anfällt, bringt den Männern aber auch gerne mal Verpflegung aufs Feld. Sie ist begeistert von dem positiven Feedback: „Da begegnet uns viel Wertschätzung, und das stärkt uns auch wieder, weiterzumachen. Die Leute wissen, dass wir normale 40-Stunden-Jobs haben und die Landwirtschaft nebenbei läuft“, sagt die 34-Jährige. Kritik komme natürlich auch und die müsse man annehmen, meint Lukas. Nur bei Hasskommentaren hört es auf: „Da mach ich mir nichts draus und denk mir meinen Teil.“

Am besten laufen Technikvideos, entscheidend seien aber das Titelbild und die Überschrift. „Manchmal denkt man, das wird ein Bombenvideo und dann läuft das überhaupt nicht. Und beim nächsten Mal denk ich: Was hab ich denn da für einen Blödsinn zusammengestellt, und dann wird das geklickt wie blöd“, sagt er und lacht. Grundsätzlich schauten die Abonnenten aber eher, wenn sich ein Trecker drei Mal festfahre als ein Video mit Tieren.

Aber über die Klickzahlen macht er sich keine Gedanken, sagt er – alles nur ein Hobby. Obwohl er mit der Werbung, die vor und während seiner Videos laufen, „ein paar Mark“ verdiene. Wie er sich seinen Erfolg erklärt? „Ich war 2017 zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wer heute noch damit erfolgreich werden will, muss wirklich etwas Besonderes machen“, stapelt er ein bisschen tief. Und was für ihn das Farmvloggen ausmache? „Der Austausch mit den Menschen. Es macht Spaß. Aber die Videos sind auch einfach eine schöne Erinnerung für uns.“

Heike Zeller ist Diplom-Betriebswirtin und Diplom-Soziologin. In einer Studie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf setzte sie sich mit der Social-Media-Nutzung bayerischer Landwirte auseinander. Ansonsten berät sie Landwirte zu Social Media und Vermarktungsstrategien.


Frau Zeller, warum gehen Landwirte über soziale Medien an die Öffentlichkeit?
Die meisten wollen einen Einblick in das landwirtschaftliche Leben und Arbeiten geben und das Image der Landwirtschaft verbessern. Zudem macht es ihnen einfach Spaß, Eindrücke von ihrem Hof und auch Persönliches zu teilen. Letzteres liegt an zwei Gründen: Sie merken, dass sie erfolgreicher werden, also mehr Aufmerksamkeit und Reichweite erzielen, wenn sie ihr Gesicht zeigen. Zweitens erhalten sie mit zunehmender Aufmerksamkeit auch Kooperationsanfragen von Firmen und merken: Sie als Person werden relevanter. Im Kontakt mit den Followern, ihren Anhängern, erfahren viele Landwirte auch, dass die Community einen persönlichen Zugang, nicht nur einen fachlichen Austausch, möchte und entsprechen diesem Wunsch.


Wer interessiert sich für die Agrar-Influencer?
In unserer Studie wurde geschätzt, dass gut 60 Prozent der Follower selbst einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben. Der Kontakt mit Kollegen spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Die Influencer nehmen sich viel Zeit, um die in den Netzwerken gestellten Fragen von Kollegen, aber auch von Laien, zu beantworten. Das Feedback ist in der Regel gut. Manche Follower schreiben beispielsweise, dass sie ein viel besseres Verständnis für landwirtschaftliche Arbeiten bekommen. Landwirte und Follower freut es, so direkt und vielfältig gegenseitig in Kontakt treten zu können, ohne dass da etwa ein Verband dazwischensteht.

Auf welchen Plattformen sind die Landwirte hauptsächlich aktiv?
Das hängt etwas vom Alter ab und wann jemand mit Social Media angefangen hat. Facebook wird beispielsweise von jüngeren Menschen eher weniger genutzt und vor allem, um sich in Gruppen auszutauschen. Auch YouTube ist rückläufig. Ein Großteil spielt sich tatsächlich auf Instagram ab. Aber auch TikTok wird zunehmend beliebter und Twitter oder LinkedIn wird teilweise genutzt. Die Landwirte dort posten eher politischen Content oder treten mit Journalisten in Kontakt.

Drei Fragen an Heike Zeller

Eine junge Frau mit braunen Locken schaut in die Ferne, im Hintergrund grüne Wiese und Berge.

© Privat

Heike Zeller, Diplom-Betriebswirtin und Diplom-Soziologin

Lukas Döscher
Ein Mann steht mit Forke in einer Scheune, im Vordergrund ist unscharf ein Handydisplay zu sehen.

© Arnd Hartmann

Ihr Autor

Katja Gallas

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Erstellt:
09.09.2022, 16:52 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 33sec

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