Zwei Männer am Neuen Hafen

© Arnd Hartmann

Professor Lluis Bonet von der Universität Barcelona und Dr. Lars Kro¨ger (links) vom Deutschen Schifffahrtsmuseum machen sich am Neuen Hafen ein Bild vom maritimen Erbe der Stadt.

Maritimes Erbe retten: So wichtig sind Bremerhavens Schiffe

Fachleute aus Europa sind auf Einladung des DSM nach Bremerhaven gekommen. Sie wollen das maritime Erbe bewahren und aus der „Seuten Deern“ lernen.

So wird das maritime Erbe gerettet

Vis à vis mit Bremerhavens Schiffen: Fachleute aus Europa zu Gast

Die „Seute Deern“ ist ein Beispiel dafür, wie schmerzhaft es ist, ein Stück maritimes Erbe zu verlieren. Nun hat in Bremerhaven eine EU-Tagung stattgefunden - mit der Frage, wie kulturelles maritimes Erbe bewahrt werden kann.

Während die Experten im Timeport-II-Gebäude am Neuen Hafen über das Bewahren des maritimen kulturellen Erbes in Europa sprechen, sind Bremerhavens „Schätze“ in Sichtweite. Die „Schulschiff Deutschland“, die „Welle“, die „Wal“ - sie liegen praktisch nebenan. Der Projektkoordinator Professor Lluis Bonet von der Universität Barcelona ist angetan von der Vielfalt der Bremerhavener Schiffe, trotz des grau-kühlen Nieselwetters am Montag. In dem EU-Kulturprojekt „Charter“ geht es darum, dass sich die Regionen in Europa gemeinsam darüber klar werden, was es braucht, um das kulturelle Erbe angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen und alternder Ehrenamtlicher in die Zukunft zu führen. Mit dabei sind Fachleute aus zehn Ländern. Bonet, das merkt man sofort, geht diese Aufgabe mit größter Leidenschaft an - und er bittet gleich darum, dass man das Thema nicht nur auf feste Objekte wie etwa Schiffe oder Hafenkräne verengt. „Es geht auch um die Kultur- und Handwerkstechniken“, macht der Experte deutlich. Dr. Lars Kröger vom Deutschen Schifffahrtsmuseum stimmte Bonet direkt zu. Zu der Aufgabe gehöre auch, historische Segel- und Herstellungstechniken zu bewahren. Daher nahmen an der Fachtagung auch Vertreter der Bremerhavener „Sail Training Association Germany“ teilt, ein Verein, der die seemännische Aus- und Weiterbildung fördert.

Wo gibt es noch eine Person, die traditionell nieten kann?

Kröger umreißt eine der Herausforderungen, maritimes Erbe zu bewahren: Immer häufiger stelle sich die Frage, wo man noch Leute finde, die ein bestimmtes Spezialwissen mitbringen. Wer kann heutzutage noch gewaltige Dampfkessel für Schiffe bauen, traditionell nieten oder wo findet man noch einen Rigger (für die Takelage zuständig)? Kleine Regionen könnten nicht alles vorhalten, sagt Kröger, durch die Vernetzung und Zusammenarbeit ließe sich das aber ausgleichen. Gemeinsam wollen die Fachleute auch herausfinden, welche Strukturen es braucht, um das maritime kulturelle Erbe dauerhaft zu pflegen und zu bewahren. Bislang laste vieles auf den Schultern von Ehrenamtlichen, das sei nicht nur in Bremerhaven oder Deutschland so. Außerdem gebe es auch im universitären Bereich noch Nachholbedarf, wenn es um die „Nische“ maritimes Kulturerbe geht. Bislang würden zum Beispiel eher klassische Archäologen oder andere Fachleute sich erst nach der Universität spezialisieren. Doch das müsse nicht so bleiben.

Nach und nach steige unter Kulturerbe-Experten das Interesse an Schifffahrt und maritimer Kultur, auch wenn man es immer noch schwerer habe als mit Burgen, Schlössern oder Kirchen, wie der DSM-Experte zu berichten weiß. Dabei sei das maritime Erbe für Bremerhaven so wichtig wie zum Beispiel ein Kloster für andere Städte. Eine Stadt wie Bremerhaven sei in seiner Form und Struktur ohne seine maritime Geschichte nicht zu verstehen, sei immens dadurch geprägt.

„Dabei darf es nicht nur um die Leuchtturmprojekte gehen“, sagt Kröger. Eine Herausforderung sei es, auch eine große Anzahl verschiedenartiger kleinerer Schiffe und Objekte zu bewahren. Durch eine Vernetzung könne man voneinander lernen, um diese Schiffe und Objekte besser und kostengünstiger zu sanieren. Zum Beispiel ziehe das DSM bei der aktuellen Sanierung des Handkurbelkrans die Expertise vom Deutschen Hafenmuseum in Hamburg heran, wo eine einzigartige Sammlung von zehn Hafenkränen für die Nachwelt bewahrt wird.

Professor Bonet: „Wir müssen die Neugier wecken.“

Dem Fachmann aus Barcelona, Lluis Bonet, ist noch etwas anderes extrem wichtig: „Wir müssen Neugier wecken. Sie ist die wichtigste Triebfeder.“ Der jüngeren Generation müsse das maritime Erbe nahe gebracht werden, junge Menschen müssten wortwörtlich mit historischen Schiffen in Kontakt kommen, um sich „zu verlieben“. Man könne schon in den Schulen anfangen und den jungen Menschen Angebote machen. Sie sollten die Chance bekommen, sich, wenn sie mögen, als Freiwillige zu beteiligen, und es möglicherweise sogar als Berufsperspektive sehen, hier einen maritimen Beruf erlernen zu können, den vielleicht nur wenige Menschen in Europa beherrschen. Das EU-Projekt „Charter“ ist erst einmal nur ein erster Schritt, es soll der Analyse des „Ökosystems“ rund um kulturelle maritime Objekte dienen. Die Tagung hat das DSM zusammen mit der Stadt ausgerichtet. In weiteren Schritten soll dann erörtert werden, wo womöglich zielgerichtete EU-Fördertöpfe aufgesetzt werden sollten, damit auch in einhundert Jahren das maritime Erbe zu bewundern und zu bestaunen ist.